Sich neue Ideen auszudenken ist ja, wie wir alle wissen, der einfachste Teil. Hier ein bißchen Ping-Pong, da noch eine Schippe drauf und schon können wir uns vorstellen, wie sich die Zukunft im kleinen oder großen ändern könnte. Sobald es dann aber um die praktische Umsetzung geht, fangen die Schwierigkeiten meist erst so richtig an, insbesondere wenn ich mit städtischen Akteur*innen zusammenarbeite. Denn auf einmal wird festgestellt: Huch! Das ist ja sehr komplex- da müssen wir ja mit Behörde X oder Abteilung Y zusammenarbeiten- oder es gibt diese oder jene Vorgabe oder gar ein Gesetz, dass also, nein, diese Idee wirklich gar nicht umsetzbar ist. Nein!
Wie oft ich mich selbst in dieser Situation wiederfand kann ich schon gar nicht mehr abzählen. Was ich jedoch spüre ist: mit jedem Projekt und jedem Stein, den wir aus dem Weg geräumt haben, jeder Brücke, die wir zwischen Abteilungen oder ganzen Organisationen geschlagen haben, wächst auch die Zuversicht - man könnte auch sagen Abgebrühtheit- dass wir eigentlich fast immer gemeinsam einen Weg finden, zu diesem scheinbar unvorstellbaren Ziel zu kommen.
Ich will ehrlich sein: bislang hatte ich wirklich eher das Bild vom Stein-auf-den-Berg schiebenden Antreiber im Kopf. Aber neulich hat es bei mir Klick gemacht: denn auch unsere Arbeit ist eine Frage von Perspektive und Haltung (wir bauen schließlich keine Pyramiden ✨). Diese Woche erscheint von Vinnova ein sehr spannendes Buch, das ich vorab bereits lesen und mit dem Autor Dan Hill diskutieren durfte: Designing Missions – a practice guide by Vinnova.
Dan, der seit Jahrzehnten in den tiefsten Dschungeln der systemischen Innovationsarbeit fantastische Arbeit leistet, schlägt nämlich folgendes, simples aber hochwirksames, Bild vor: Schneebälle den Hügel hinunter zu rollen. Wow! Es geht dabei um seine praktische Arbeit in Schweden mit dem mission-oriented innovation policy Ansatz.
(1) Der Schneeball wird oben auf dem Hügel klein und fein zusammen gerollt. Tasse Tee aus der Thermoskanne. Das bedeutet in der Umsetzung: kleine, lokal begrenzte Prototypen an einem Ort. Hier wird lokal gelernt, qualitative Daten werden erhoben und evaluiert, es gibt vor Ort eine unmittelbare Wertschöpfung.
(2) Von hier aus rollt man den Schneeball auf die nächst größere regionale Ebene. Auf Basis der Erkentnisse aus dem ersten Schneeball werden nun an mehreren Orten Prototypen umgesetzt, diese lernen wiederum voneinander, es gibt eine gemeinsame Wertschöpfung und vielleicht schon ein erstes proof of concept.
(3) Dann kann man den Schneeball vollends ins Tal kullern lassen, auf die nationale Ebene, hier wird dann gezeigt, dass die Prototypen richtig gut funktionieren, es gibt reichhaltige und vielfältige Daten, die das belegen. Je größer der Schneeball wird, desto schwächer fallen die Beharrungskräfte und Reibungen aus dem bestehenden System aus, und umso stärker wird die Schwerkraft der Mission.
Tolles Modell, oder? Seitdem rolle ich nur noch Schneebälle den Hang hinunter.
Viel Spaß damit.
Dein Matthias