Beyond Silicon Valley pt. 2
Silicon Valley wurde lange Zeit als Archetyp für innovatives Unternehmertum bewundert- vor allem in Europa. In den lezten Monaten hat sich gezeigt, dass dieses Modell nicht mehr zukunftsfähig ist und bereits von einigen Veteranen des Valleys nicht mehr mitgetragen wird. Dieser Text enstand im Rahmen einer Fellowship-Bewerbung, die ich nicht zu Ende geschrieben habe. Trotzdem muss sie jetzt mal raus.
Konzerne wie Apple oder Google üben eine enorme Strahlkraft aus- nicht nur auf Konsumenten sondern auch Unternehmer, für die eine Reise nach Kalifornien oft den Stellenwert einer Pilgerfahrt hat. Unternehmen aus dem Silicon Valley werden als Heilsbringer geradezu verehrt, dienen als Vorbilder ultimativer Unternehmensformen mit dem nächsten großen Geschäftsmodell für die Zukunft. Keinesfalls fehlen darf der bedingungslose Drang nach großen Innovationen - Moonshots. Soweit die Legende.
Denn es gibt eine Reihe von Zeichen, die auf eine Zeitenwende hindeuten.
Die amerikanische Venture Capital Methode, Innovation mit Hilfe von möglichst vielen erfolgversprechenden Start-Ups zu erzwingen wird mittlerweile immer kritischer diskutiert. Einige Unternehmer/Systemkritiker stellen sich die Frage: sind der exponentielle Hockey-Stick Wachstum und die Mentalität der Wegwerf-Startups wirklich so ein erstrebenswertes Ziel? Vereinzelt entstehen angeregt dadurch zarte Bewegungen, die erste Alternativen zu dem amerikanischen VC Modell erproben, wie z.B. die amerikanische Stock-Foto Agentur Stocksy. Oder noch idealistischere Initiativen, die sich soziale Medien in Gemeinschaftshand wünschen (#buytwitter).
Fest steht: in den letzten Jahren hat sich eine lebhafte Debatte über die moralischen Werte hinter den Erfolgskonzernen des Valleys und der amerikanischen Innovationskultur entwickelt — nicht nur in Europa. Deren Themen sind weit entfernt von Trivialem.
Es geht z.B. um die Kritik der Führungskultur einer aus weißen Männern bestehenden Elite (Valley of the Dudes), unternehmerische Verantwortung und Arbeiterrechte (z.B. bei Amazon oder Uber), gesellschaftliche Verantwortung (z.B. bei den ausgeklügelten Steuervermeidungs-Modellen von Apple & Co), Monopolismus (bei allen US Tech-Giganten: Google, Apple, Microsoft, Facebook, Amazon), corporate surveillance (ebda) oder Nachhaltigkeit (was bringt uns ein iPhone, wenn in 50 Jahren die ersten Küstengebiete auf der Welt unter Wasser stehen?).
Gerade der Fall Travis Kalanick, Gründer und zuletzt CEO bei Uber, steht stellvertretend für die moralische und kulturelle Krise, die heute symptomatisch für das Silicon Valley ist. Der amerikanische Journalist Farhad Manjoo beschrieb bereits Mitte 2017 in der New York Times , dass die Startup-Maschine des Silicon Valleys einer Reparatur bedarf: “Die Geschehnisse bei Uber sind eine Anklage gegen all jene, die Mr. Kalanick erst ermöglicht haben, seine schlechtesten Seiten und Handlungen auszuleben. Dies schließt so ziemlich jeden ein, der bei dem Fahrtvermittler eine führende Rolle innehat und seine Finanziers. Anders gesagt: dies ist ein systemisches Problem. Von vorne bis hinten. Uber ist ein Fehlschlag in der Start-Up Maschine des Silicon Valley’s.”
Wenn das Silicon Valley aber in der Lage ist, ein systemisches Versagen in dieser Größenordnung zu produzieren (Uber war das wertvollste Startup der Welt Anfang 2017 mit einer Bewertung von 68 Milliarden Dollar)- taugt es dann überhaupt noch als globales Vorbild für Unternehmertum und Innovation? Wollen wir dieser offensichtlich fehlerbehafteten Kultur wirklich weiter kritiklos folgen und alles auf eine Karte setzen?
Das Projekt Beyond Silicon Valley wird einen kritischen Perspektivwechsel unternehmen.
Im Mittelpunkt steht die Erkundung und Beschreibung einer zeitgemäßen und zukunftsgerichteten Innovationskultur. Dabei wollen wir den Blick bewusst von den üblichen Verdächtigen des Silicon Valley abwenden, um uns wieder mehr mit uns selbst, in Europa, zu beschäftigen.
Mit dem Projekt Beyond Silicon Valley möchten ich Antworten auf Fragen finden wie:
- Wie lässt sich Innovationskultur in Europa anhand von Praxisbeispielen beschreiben?
- Wie wird Innovation in Europa verstanden und wo liegen die Unterschiede zur amerikanischen Innovationskultur?
- Welche Bedeutung, welches Potenzial hat das Thema Innovation abseits von „Disruption“?
- Wollen wir Innovation um jeden Preis? Welche Form der Innovation ist gesellschaftlich überhaupt erstrebenswert?
- Welches sind die wichtigsten Experten zum Thema Innovation in Europa und wie können wir sie an einen Tisch bringen?